(Click here for the English version of this post)
Ich freue mich jedes Jahr auf die Kneading Conference („Knet-Konferenz“), die immer im Juli in Skowhegan/Maine stattfindet. Dieses Jahr war es leider nichts damit – das neuartige Coronavirus hat uns die Lust an Zusammenkünften gründlich verdorben.
Für den diesjährigen World Bread Day, wie immer (dankenswerterweise) von Zorra veranstaltet, will ich daher wenigstens ein interessantes Brot von der letzten Kneading Conference vorstellen.

Gebacken haben wir das Songbird & Sea Bread mit Jim Amaral, einem der Begründer der Brotgetreide-Renaissance in Maine. Er hatte sich vor Jahren in den Kopf gesetzt, in seiner Bäckerei nicht nur organischen Weizen zu verwenden, sondern auch Getreide, das lokal angebaut wird.

Die gesamte Weizenproduktion der USA war vor Jahrzehnten in den Mittleren Westen abgewandert, wo genmanipuliertes Hochleistungsgetreide konkurrenzlos billig produziert werden konnte.
In unserem nordöstlichsten Bundesstaat der USA, mit seinem kalten Wintern und seinen nicht gerade reichen Böden, gedeihen zwar Kartoffeln und weniger anspruchsvolle Getreide (die als Tierfutter angebaut wurden), aber auf die Idee, wieder Weizen anzubauen, wäre so bald kein Bauer gekommen.
Jim fand nicht nur einen risikobereiten Farmer in der Nachbarschaft – er schaffte es auch, Restbestände von alten Weizensorten aufzutreiben, die vor mehr als 100 Jahren, angepasst an unser raues Klima, in Maine gewachsen waren.

Der Rest ist Geschichte – mittlerweile haben wir wieder viele verschiedene Getreidesorten in Maine, und Gerste wird auch nicht mehr nur ans Vieh verfüttert, sondern an viele kleine Brauereien verkauft, die (zu meiner Freude) ausgezeichnetes Bier brauen.
Der Name „Songbird & Sea“ ist eine Anspielung auf zwei Zutaten, die in Maine gedeihen: Mais, der von vielen Vögeln – wenn auch mehr von der krächzenden oder quakenden Sorte – geschätzt wird, und Rotalgen (Porphyra), die nicht nur an unserer Küste, sondern auch in Nordeuropa und Asien verbreitet sind.

In asiatischen Läden, Naturkostläden und manchen Supermärkten werden die getrockneten Algen sowohl geröstet, als Snack, verkauft, oder, als „Nori“, zum Einrollen von Sushi.
Das Brot ist herzhaft, mit einem ganz leichten Seetang-Geschmack. Die Krume hat von den Algen einen etwas grünlichen Farbton und viele schwarze Pünktchen. Ihr könnt dafür jede Art von getrockneten Algen nehmen – geröstet oder ungeröstet, müsst allerdings beachten, dass einige Sorten salziger als andere sind.
Auf der Kneading Conference haben wir das Brot natürlich an einem Tag zubereitet und gebacken. Ich hab Jim Amaral’s Verfahren etwas vereinfacht, und dafür eine lange, kalte Gare verwendet.

SONGBIRD & SEA BREAD (nach Jim Amaral/Maine Grain Alliance)
Vollkornweizen–Starter
10 g aufgefrischtes Anstellgut
35 g Wasser, lauwarm
35 g Vollkornweizen
Mais-Kochstück
70 g Maisschrot (Polenta)
280 g Wasser, geteilt
Hauptteig
80 g Vollkornweizenstarter (aller)
95 g Wasser
348 g Mais-Kochstück (alles)
320 g Weizenmehl Typ 550
10 g getrocknete Rotalgen (Nori), falls gewünscht: geröstet*
7.5 g Salz
*) Algen bei 120ºC 3-5 Minuten lang rösten (oder geröstete kaufen)
1. TAG
Morgens: Zutaten für den Starter verrühren. Zugedeckt 6-8 Stunden ruhen lassen, bis er aktiv ist (Schwimmtest: ein Teelöffel Sauerteig soll im Wasser an die Oberfläche treiben).

Maisschrot und 210 g Wasser in einen kleinen Kochtopf geben. 6-8 Stunden lang quellen lassen.
Eingeweichten Mais zum Kochen bringen, dann auf niedriger Stufe unter häufigem Umrühren köcheln lassen. Nach und nach die restlichen 70 g Wasser dazugeben, bis die meiste Flüssigkeit absorbiert ist. Maisbrei auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.

Rotalgen und Wassermenge für den Hauptteig in die Mixerschüssel geben und 10 Minuten einweichen lassen.
Alle restlichen Zutaten für den Hauptteig zu den eingeweichten Algen in die Mixerschüssel geben. Auf niedriger Stufe mischen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist. Teig 5 Minuten ruhen lassen, dann 6 Minuten lang auf mittel-niedriger Stufe kneten. (Teig soll noch klebrig sein).

Teig auf eine leicht eingeölte Arbeitsfläche geben. Mit eingeölten Händen zu einem groben Rechteck drücken und ziehen. Wie einen Geschäftsbrief von oben und unten in 3 Teile falten, dann das gleiche von rechts und links wiederholen. Teigpaket mit der umgekehrten Mixerschüssel abdecken und 10 Minuten lang ruhen lassen.

Teig in gleicher Weise noch weitere 2-3 Male in 10-minütigen Abständen strecken und falten (er wird immer mehr Widerstand leisten). In einen eingeölten Container mit Deckel geben und über Nacht in den Kühlschrank stellen.

2. TAG
Teig 2 Stunden vor Gebrauch zum Anwärmen aus dem Kühlschrank nehmen.
Teig auf leicht bemehlter Arbeitsfläche zu einen runden Laib formen. Mit der Naht nach oben in ein bemehltes Gärkörbchen legen.

Mit Mehl bestreuen und zugedeckt bei Zimmertemperatur ca. 60 – 75 Minuten lang gehen lassen, bis sich das Volumen ca. um das 1 1/2-fache vergrössert hat (Fingertest: eine sanft eingedrückte Delle soll noch ein bisschen elastisch sein, sich aber nicht mehr ganz auffüllen).
Ofen auf 260ºC vorheizen (falls möglich). Einen gusseisernen Schmortopf in der Ofenmitte mit heiss werden lassen.

Brot aus dem Gärkörbchen auf ein grosses Stück Backpapier auskippen. Paper so zurechtschneiden, dass zwei lange Seiten als Handgriffe stehen bleiben. Brot wie gewünscht einschneiden.
Heissen Topf aus dem Ofen holen, Deckel abnehmen (Topflappen oder -handschuh darauf liegen lassen, um versehentliches Anfassen zu vermeiden – ich spreche aus schmerzhafter Erfahrung!)

Brot mit Hilfe der Papierschlinge in den vorgeheizten Topf befördern. Deckel darauf legen, und Topf in den Ofen stellen.
Temperatur auf 230°C herunterschalten, Brot 20 Minuten lang backen, dann Deckel entfernen, und ca. 15 Minuten lang weiterbacken, bis der gewünschte Bräunungsgrad und eine Innentemperatur von mindestens 93°C erreicht sind.

Brot aus dem Topf nehmen und auf einem Kuchengitter auskühlen lassen.
Haltbarkeit: das Songbird & Sea-Brot hält sich mehrere Tage bei Zimmertemperatur in einer Papiertüte. Weil wir nur zu zweit sind (und am liebsten frisches Brot essen), halbiere ich den Laib nach völligem Abkühlen und friere die Hälfte ein.

Wie schön, endlich setzt überall auf der Welt die Erinnerung an alt Bewährtes ein. Interessantes Brot
LikeGefällt 1 Person
Ja, finde ich auch. Als ich 2001 nach Maine zog, gab es im Supermarkt nur Schlabberbrot und weisses Mehl zu kaufen. Roggenmehl und Vollkornweizen musste man im Spezialversand bestellen und das war’s denn auch.
LikeLike
Das ist ja eine coole Konferenz und natürlich auch das Brot. Hoffentlich findet sie nächstes Jahr wieder statt! Danke fürs Mitbacken beim World Bread Day.
LikeGefällt 1 Person
Danke für deinen unermüdlichen Einsatz, Zorra!
LikeLike
Glad to see that you entered this fine bread into World Bread Day Karin. Lucy is still addicted to Hamp Seeds.. Very nice indeed
LikeLike
Super Rezept, hat wunderbar funktioniert… Das Brot schmeckt herrlich nach Meer 👍🏼! Mit dem groben Abenaki Flintcorn bestimmt noch besser (bei uns gibt’s nur feinkörnige Polenta)…
LikeGefällt 1 Person
Danke, Mark, das freut mich sehr!
LikeLike