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Als ich in den USA das erste Mal Backzutaten einkaufte, hatte ich nicht die leisteste Ahnung, dass es zwischen deutschen und amerikanischen Mehlen irgendwelche Unterschiede geben könnte.
“All-Purpose Flour” (Allzweckmehl) war doch offenbar der Normalo unter den Mehlen. “Bread Flour” (Brotmehl) war zum Brotbacken gedacht. Und “Whole Wheat” und “Rye Flour”? Na klar, Vollkornweizen- und Roggenmehl!
Aber dann sah ich bei Hannaford auch “Cake Flour” – hm…. extra Kuchenmehl? Warum denn das? Daneben fand ich “White Whole Wheat” – weisses Vollkornweizenmehl? War das etwa chemisch gebleicht (igitt!), wie einige der Billig-Sorten im Supermarkt-Regal? (Nein, es ist eine spezielle Sorte Albino-Weizen).
Richtig befasst habe ich mich mit den unterschiedlichen Mehltypen aber erst, als ich unbedingt deutsche Brötchen backen wollte.

Meine ersten Schrippen und Rundstücke waren zwar nicht schlecht, aber irgendwie doch nicht so richtig. Die Krume war ganz anders, als ich sie von Deutschland her kannte, nicht so lose und fluffig, dass ich sie herauszupfen konnte, sondern fester und grossporiger, eher wie bei französischem Baguette.
Schliesslich ging mir auf, dass amerikanischer Weizen viel proteinreicher ist als europäische Sorten, das Mehl enthält mehr Kleber, und sorgt damit für eine stabilere Teigstruktur. Meine deutsch-amerikanischen Brötchen litten also unter akutem “Hyperglutenismus”!

Umgekehrt, in Hamburg, war es für mich allerdings auch nicht einfacher. Als mich meine Freundin Ingrid bei einem Besuch darum bat, die tollen Baguettes zu backen, von denen ich ihr telefonisch vorgeschwärmt hatte, stand ich am Mehlregal bei Edeka genauso ratlos da.
Ich hatte ja früher in Deutschland niemals Brot gebacken, nur Kuchen und Weihnachskekse. Dass Weizenmehl Type 405 nicht das Richtige für Brotteige war, wusste ich zwar, und Vollkornweizen kannte ich auch. Aber all die anderen Typen – 550, 1050, 1700?
Ich hatte keinen blassen Schimmer, und die Packungsaufschriften machten mich auch nicht schlauer, denn, im Gegensatz zu den USA, enthielten sie keine Angaben über den Proteingehalt des Mehls. Dass europäische Mehltypen einer ganz anderen Typisierung unterliegen – nach ihrem Aschegehalt (dem, was übrig bleibt, wenn man es verbrennt) – wusste ich natürlich erst recht nicht.
Nach längerem Nachdenken entschied ich mich für Type 1050 – in der Mitte der Zahlenreihe musste dieses Mehl ja wohl glutenreicher sein als Softie-Mehl 405, aber andererseits noch weit genug entfernt vom Vollkornweizenmehl.
Was soll ich sagen? Mein Pain a l’Ancienne wurde unbeabsichtigt wesentlich gesünder als geplant, schliesslich enthielt es eine gute Portion Kleie. Aber wenn auch flacher und dunkler – gut schmeckte das Brot trotzdem. Und das war schliesslich die Hauptsache!

Ich habe mich dann an eine deutsch/amerikanische Mehltypen-„Übersetzung“ gemacht. Natürlich entsprechen die Typen einander nicht hundertprozentig, das amerikanische „Allzweckmehl“ (All-Purpose Flour) enthält z. B. bereits genauso viel Protein wie das deutsche „Brotmehl“ Type 550, und kann daher auch zum Brotbacken verwendet werden.
Der höhere Klebergehalt von US-Mehlen ist auch der Grund, warum bei Kuchenteigen hierzulande erst trockene und feuchte Zutaten getrennt verrührt werden, um beides dann nur ganz kurz zu vermischen. Sonst werden Muffins, Pies, und Kuchen fest und trocken!
WEIZENMEHL – welche US-Typen entsprechen (annähernd) welchen deutschen Typen
USA | D | % PROTEIN |
Cake Flour | – | 6-8 |
Pastry Flour | Type 405 | 8-9 |
Whole Wheat Pastry Flour (Vollkorn-Pastry Flour) | – | 8-9 |
All-Purpose Flour | Type 550 | 10-12 |
Bread Flour | Type 550 | 12 |
Ersatz: 77% Bread Flour + 23% Whole Wheat Flour | Type 812 | 11-13 |
Ersatz: 57% Bread Flour + 43% Whole Wheat Flour | Type 1050 | 13-14.5 |
Whole Wheat Flour (Vollkornweizen ohne Keim) | Weizen- Vollkornmehl Type 1600 | 13 |
White Whole Wheat Flour (Albino-Vollkornweizen) | – | 13 |
High-Gluten Flour | – | 14 |
High-Extraction Flour/ First Clear Flour | Type 1050 | 16 |

DINKELMEHL (welche US-Mehle entsprechen den deutschen Typen)
USA | D |
White Spelt Flour | Type 630 |
Ersatz: 57% White Spelt + 43% Whole Spelt | Type 1050 |
Whole Spelt Flour | Dinkelvollkornmehl/ Type 1600 |
Dinkelvollkornmehl ist in den USA nur in sehr gut sortierten Supermärkten oder in Naturkostläden zu finden. Weisses Dinkelmehl muss man im Versandhandel bestellen. Eine mittlere Type (1050) wird hier bisher nicht produziert.
ROGGENMEHL (welche US-Mehle entsprechen den deutschen Typen)
USA | D |
White Rye Flour | Type 815 |
Ersatz: 82% White Rye Flour + 18% Whole Rye Flour | Type 997 |
Ersatz: 66% White Rye Flour + 34% Whole Rye Flour | Type 1150 |
Medium Rye Flour | Type 1370 |
Whole Rye Flour | Roggenvollkornmehl |
Pumpernickel Flour/ Rye Meal | Feiner Roggenschrot |
Cracked Rye/ Rye Chops | Grober Roggenschrot |
Amerikanische Supermärkte bieten nur Vollkornroggenmehl (Whole Rye) an. White Rye und Medium Rye muss man im Versandhandel bestellen. Ein Equivalent für die deutschen Typen 1150 oder 997 gibt es nicht. Ersatzweise kann man eine Mischung aus White und Whole Rye Flour nehmen (siehe Tabelle oben).
Feinen Roggenschrot (Rye Meal), in den USA auch als “Pumpernickel Flour” bezeichnet, gibt es bereits in einigen gutsortierten Supermärkten (und Online). Groben Roggenschrot (Rye Chops/Cracked Rye) muss man sich allerdings schon selbst mahlen (genauso wie alle anderen geschroteten Getreide).

Urgetreide wie Kamut/Khorasan, Einkorn und Emmer sind inzwischen auch mancherorts erhältlich (allerdings nur als Vollkornmehl).
Erfreulicherweise werden viele alte Getreidesorten mittlerweise wieder in den USA angebaut. In meinem Bundesstaat Maine gibt sogar es eine regelrechte Renaissance, kräftig unterstützt von der Maine Grain Alliance, die auch alljährlich einen internationalen „Knet-Kongress“ (Kneading Conference) in Skowhegan veranstaltet.
Was mich ausserdem besonders freut: auch die hiesige Bierbrauerei hat von diesem Trend profitiert. Der kommerzielle Anbau von Gerste und Hopfen war Anfang des 20. Jahrhunderts nach einem verheerenden Schädlingsbefall in Maine völlig zum Erliegen gekommen, aber jetzt nimmt die Zahl kleiner Brauereien jedes Jahr zu.
(Diesen, erstmals 2012 veröffentlichten Post habe ich vollkommen überarbeitet und ergänzt und die Tabellen so formattiert, dass sie auch auf dem Handy korrekt abgebildet werden).
Vielen Dank für die ganze Arbeit, die Du da reingesteckt hast! Mir ging es nicht anders als Dir als ich hier ankam. Ich habe angefangen in meinen Rezepten verschiedene Mehlsorten zu verwenden bis es passte. So verwende ich in jedem Rezept eine eigene Mischung. Deine Tabelle vereinfacht das ganze natürlich. Ich komme aus einer Bäckerfamilie und wollte natürlich etwas von meiner Kindheit mitbringen. Ich habe den Beruf des Bäckers aber nie erlernt. Ich fing an zu backen und mein Ziel war, wenn ich meine Gebäcke esse und die Augen schließe, war ich wieder in meiner Kindheit! Das hat nicht immer geklappt aber häufig war ich dicht dran. Schrippen waren allerdings eine Herausforderung! Doch auch da fand ich ein Rezept was mich geschmacklich und auch von der Größe ( kleine Schrippe, nicht aufgeblasen) dahin gebracht hat.
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Danke! Ja, die scheinbar simplen weißen Brötchen sind viel schwerer zu erzielen, als irgendwelche Mischbrote. Mein Mann schwärmt ständig von den vietnamesischen Banh Mi Baguettes, die ich bisher trotz aller Versuche noch nicht „richtig“ hingekriegt habe.
Dein Rezept für Schrippen würde mich interessieren.
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Endlich eine Antwort auf so manche Frage was das Brot angeht. Ein herzlichen Dank für das teilen. Danke sagt eigentlich nicht genug und ich wiederhole mich liebend gern noch einmal D A N K E !!
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Tausend Dank fuer deine ausfuehliche Beschreibung und deine Muehe! Das hilft mir ungemein und ich hab schon eine Amazon Bestellung abgeschickt :o)
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Ich freue mich, dass du meine „Übersetzung“ hilfreich findest, Annika. Ein (hoffentlich) froheres Neues Jahr, und bleib gesund!
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Danke. Schöne Auflistung. Leider suche ich schon lange eine in der auch „Strong white bread flour“ enthalten ist. Wird in vielen Rezepten verlangt, aber keiner weiß es hier. Z.b Rezpte für weiche britische Breakfast Rolls.
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Hallo, Marko, das englische “strong white bread flour” entspricht dem deutschen Typ 550 und (in etwa) dem amerikanischen Bread Flour (Proteingehalt 12-15%). Einige US-All-Purpose Flours, wie das von King Arthur, haben auch einen höheren Protein/Gluten-Gehalt und können anstatt Bread Flour verwendet werden.
Früher habe ich versucht, mehr europäische Mehltypen in dieser Tabelle unterzubringen. Leider war die dann auf Handys und Tablets so schlecht lesbar, dass ich mich wieder beschränken musste.
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Vielen herzlichen Dank für diese ausführliche Tabelle – wirklich interessant. Ich verwende seit längerem französisches Mehl (Francine T45), was dem deutschen Mehl Typ 405 entspricht. Es ist über verschiedene Quellen im Internet erhältlich. Bei US Rezepten, die all-purpose flour angeben, sowie bei allen deutschen Rezepten verwende ich je zur Hälfte King Arthur all-purpose flour und Francine T 45. Alles, was ich auf diese Weise backe, seien es Kuchen, Muffins, quick breads, Hefezöpfe, Stollen oder Buchteln, wird hervorragend – locker, luftig und leicht (keine Ahnung warum heute alles als „fluffig“ bezeichnet werden muss.
Weiterhin viel Spaß beim Recherchieren und Backen!
Anne
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Gut zu wissen! Ja, man muss sich eben zu helfen wissen.
LG, Karin
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Sehr hilfreich, danke!
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Die Erleuchtung!! Meine Backversuche hier waren am Anfang eine Katastrophe – und in Deutschland war ich bei unseren Freunden fur meine Platzchen bekannt! Erschwerend kam hinzu dass ich in Denver ge;andet bin und keine Ahnung hatte dass Backen auf 1500 m anders funktioniert. Bin jetzt wieder niedriger und freue mich darauf Brot zu backen. Danke!
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Das freut mich sehr, liebe Susanne 😊
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Liebe Karin,
Vielen Dank fuer die Tabellen. Ich wohne seit 1995 in Colorado. In den ersten Jahren hier versuchte ich oft zu backen. Aber wie Susanne, die in Denver wohnt, bereits sagte: Das Backen in hoeheren Wohngegenden hat zusaetzliche Herausforderung. Da ich momentan arbeitslos bin und jetzt wieder Zeit habe, dachte ich versuch’s mal wieder mit dem Brotbacken.
Liebe Gruesse aus Colorado von Ulla
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Hallo, Ulla, damit tust du dir sicher etwas Gutes. Ich finde, dass Backen und Kochen gerade in dieser stressreichen Zeit etwas Meditatives und Entspannendes an sich hat. Falls du noch Informationen zum Backen in höheren Lagen brauchst – King Arthur Flour Co. hat welche auf ihrer Website.
LG, Karin
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Hallo Karin,
deine Tabelle ist super sofort gedruckt und laminiert so das ich die immer zur Hand habe!
Dennoch wäre es toll von dir zu folgender Frage eine kurze Antwort zu bekommen:
welches Mehl würdest du denn in USA für ein typisches Süddeutsches Hausbrot/Weizenmicchbrot empfehlen? Ich habe ausserdem auch das Problem mit der Höhe von 1500m – bisher habe ich meist nur mehr Wasser hinzugefügt – gibt es noch etwas zu beachten oder kannst du den Link teilen von dem du spricht? Danke
LG Helene
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Hallo, Helene,
Wie schön, dass meine Tabelle dir
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(…zu früh geklickt)…beim Backen helfen kann! Hast du ein bestimmtes Rezept für das Hausbrot? Wahrscheinlich würde es mit Weizenmehl Typ 1050 und Roggenmehl 1150 gebacken werden. Das Weizenmehl kannst du mit Bread Flour : Whole Wheat Flour im Verhältnis 57% zu 43 mischen. Den mittleren Roggenmehltyp 1150 kannst du online bestellen. NYBakers hat neuerdings sogar genau diesen Typ, King Arthur Flour hat ein Äquivalent.
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Backen in Höhenlagen: https://www.kingarthurbaking.com/learn/resources/high-altitude-baking
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Danke dir sehr für deine Antworten
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