Als ich mich Anno 2007 durch meine alten, deutschen Brotbackbücher, sowie Peter Reinhart’s „The Bread Baker’s Apprentice“ hindurchgebacken hatte, suchte ich nach neuen Brotrezepten im Internet.
Bei Essen & Trinken stach mir ein Rezept besonders ins Auge. Es enthielt Bier – immer schon ein Plus! Dabei diente das Ale nicht nur zum Befeuchten und Aromatisieren des Teigs, sondern – in einem Kochstück verarbeitet – auch dazu, das Anstellgut zu füttern!
Damals hatte ich Gelegenheit, in einem „Frag den Experten“-Chat der Zeitschrift „Fine Cooking“ Peter Reinhart höchstpersönlich nach so einem alkoholisierten, mit einem Kochstück gepäppelten Starter zu fragen. Auch er hatte noch nie etwas davon gehört.
Und da gab es noch eine andere Merkwürdigkeit: das Rezept schrieb vor, den Teig in stündlichen Abständen zu strecken und zu einem Päckchen zu falten. Was für ein absonderliches Konzept! Ich war erstaunt und fasziniert.

Später stellte ich fest, dass die Teigverarbeitungsmethode Strecken und Falten im Hobbybäcker-Forum The Fresh Loaf 2006 zum ersten Mal erwähnt wurde. Peter Reinhart stellte diese Technik dann 2009 in seinem Backbuch „Artisan Bread Every Day“ einem grösseren Publikum vor.
Etwas skeptisch, wie das wohl funktionieren sollte, versuchte ich mich am Englischen Kartoffelbrot mit Ale, streckte und faltete den Teig wie vorgeschrieben, und war ein bisschen verblüfft, als ich sah, wie der Teig tatsächlich allmählich immer glatter und elastischer wurde und kleine Gasbläschen zeigte, als ich, wie angeraten, hineinschnitt, um den Reifegrad zu beurteilen.
Mein erster Versuch ergab zwar ein gut schmeckendes Brot, aber ich war nicht sehr zufrieden mit der ziemlich dicken und harten Kruste. Kein Wunder, es wurde ja ohne Dampf gebacken.
In den folgenden Jahren habe ich mir das sonderbare Potato Ale Bread immer wieder einmal vorgenommen, und daran herumgebastelt: anstatt Mehltyp 1050 (hier nicht erhältlich) unterschiedliche Mischungen aus Vollkornweizen und Brotmehl ausprobiert, die Kartoffeln zerdrückt, anstelle sie zu würfeln, und mehr Salz dazugegeben.
Mit Kenntnis von Tartine- und Forkish-Broten konnte ich die Falt-Prozedur etwas stromlinienförmiger gestalten, um dem Teig nicht mehr den ganzen Tag „Händchen zu halten“. Ausserdem passt eine kalte Übernachtgare des geformten Brotes besser in meinen Tagesablauf, ich backe lieber morgens als abends.

Inzwischen backe ich das Brot auch gern im Topf, weil ich das praktischer finde, zudem mein Ofen hier in Portland nicht so schnell auf Temperaturveränderungen reagiert wie mein alter Herd in Bar Harbor.
Mein hartnäckige Herumprobieren hat sich gelohnt, wir essen das saftige Potato Ale Bread sehr gern, es gehört zu unseren Lieblingsbroten.
Der Leserin Flor, die damals das Originalrezept bei Essen & Trinken gepostet hat, sei Dank. Sie hat mich als erste mit der Falttechnik bekannt gemacht. Und mit einem Sauerteig, der Bier liebt – genauso wie die Bäckerin!

POTATO ALE BREAD – KARTOFFELBROT MIT BIER
Kartoffeln
150 g Kartoffeln, mit Schale
Wasser zum Kochen (225 g abmessen und fürs Quellstück benutzen)
Quellstück
200 g Vollkornweizen
100 g Weizenmehl Typ 550
4 g Salz
225 g Kartoffelkochwasser (Zimmertemperatur)
Kochstück
125 g dunkles Bier
25 g Vollkornweizenmehl
Sauerteig
150 g Kochstück
50 g aktives Anstellgut (am Vortag aufgefrischt mit Vollkornweizenmehl)
Hauptteig
200 g Sauerteig
529 g Quellstück
150 g gekochte Kartoffeln
200 g Weizenmehl Typ 550
9 g Salz
1. TAG
Morgens:
Kartoffeln in einem kleinen Topf in (ungesalzenem) Wasser weichkochen. 225 g des Kochwassers abmessen, auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Kartoffeln pellen, und mit der Gabel zerdrücken. (Amerikanische Kartoffeln haben eine so dünne Schale, dass sie nicht gepellt werden müssen.)
Zutaten fürs Quellstück mischen und zugedeckt bei Zimmertemperatur stehen lassen.
Für das Kochstück in einem kleinen Topf Bier und Mehl unter ständigem Rühren auf 75ºC erhitzen, bis die Mischung zu einer Creme eindickt.
Kochstück in eine kleine Schüssel füllen und lauwarm abkühlen lassen (ca. 35ºC).
Anstellgut in das lauwarme Kochstück einrühren. Zugedeckt bei Zimmertempertur reifen lassen, bis sich kleine Bläschen an der Oberfläche zeigen.
Zutaten für den Hauptteig auf niedriger Stufe mixen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist (ca. 2 Minuten). Teig 10 Minuten lang ruhen lassen, dann auf mittel-niedriger Stufe weitere 6 Minuten kneten (Teig soll weich und klebrig sein).
Teig auf einer eingeölten Arbeitsfläche, mit eingeölten Händen (falls nötig, eingeölte Teigkarte zu Hilfe nehmen), zu einem groben Rechteck auseinanderziehen und -drücken. Von oben und unten wie einen Geschäftsbrief in drei Teile falten, dann von rechts und links ebenso falten.
Teigpaket zu einem Ball zusammennehmen, in eine leicht eingeölte Schüssel legen und zugedeckt 30 Minuten lang ruhen lassen.
Teig in gleicher Weise 4 – 5 weitere Male in 30-minütigen Abständen strecken und falten, danach für den Rest der Stockgare ungestört an einem warmen Ort stehen lassen (Gesamtdauer: 4-8 Stunden), bis er sichtbar aufgepufft aussieht, und sich sein Volumen etwa um das 1 1/2-fache vergrössert hat.

Ein Gärkörbchen gut bemehlen (ich empfehle eine Mischung aus 50% Weizenmehl/50% Reismehl) und den Boden zusätzlich mit Getreideflocken, Kleie oder Saaten ausstreuen (verhindert das Ankleben).
Teig auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche zu einem länglichen oder runden Laib formen. Mit der Naht nach oben (oder, für einen rustikaleren Look, nach unten) ins vorbereitete Gärkörbchen legen. Oberfläche mit Mehl bestreuen. Gut zugedeckt über Nacht in den Kühlschrank stellen.
2. TAG
Brot aus dem Kühlschrank nehmen, es sollte sein Volumen etwa verdoppelt haben. Fingertest: sanft eine Delle in den Teig drücken – er soll noch ein bisschen elastisch sein, die Delle aber sichtbar bleiben (falls nicht, bei Zimmertemperatur etwas länger reifen lassen).
Ofen auf 230°C vorheizen, mit einen schweren Topf mit Deckel in der Ofenmitte. (Wer ohne Topf backen will, muss mit Backstein und Dampf arbeiten).

Ein Stück Backpapier auf der Arbeitsplatte zurechtlegen. Brot energisch darauf stürzen und wie gewünscht einschneiden. Papier um das Brot herum zu einer Tragschlinge mit zwei langen Griffen zurechtschneiden (sonst wirft das Papier im Topf Falten, die in den Teig einschneiden).
Topf aus dem Ofen holen, Deckel abnehmen (Ofenhandschuh drauflegen, dann vergesst ihr nicht, wie heiss er ist – ich spreche aus schmerzhafter Erfahrung!) Brot mit Hilfe der Papierschlinge in den Topf befördern. Deckel drauf, und zurück in den Ofen stellen.
Brot 20 Minuten lang backen, Deckel entfernen und weitere ca. 25-30 Minuten lang backen, bis der gewünschte Bräunungsgrad erreicht ist und die Innentemperatur mindestens 94ºC beträgt.
Brot aus dem Topf auf ein Kuchengitter gleiten lassen. Mit dem Anschneiden warten, bis es völlig ausgekühlt ist.

Das Kartoffel-Bierbrot hält sich lange frisch – ich friere allerdings grundsätzlich die Hälfte ein, weil wir ja nur noch zu zweit sind.

Ich war ja mal Testbäckerin für Peter Reinhart, ich wurde mit seinen Rezepten nicht warm.
Aber dein Bierbrot nehme ich sofort, Bier im Brot ist großartig.
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Ulrike, ich bastelte immer noch an meinem ersten Sauerteig-Feinbrot herum, als meine Tochter mir „The Bread Baker‘s Apprentice“ schenkte. Das war eine echte Enthüllung, denn damals hatte ich keine Ahnung, wie man eine krosse, dünne Kruste erzeugen kann. Es gab fast keine Brotrezepte im Internet und meine alten deutschen Backbücher enthielten auch nur sehr rudimentäre Brote. Ich habe durch Reinharts sehr didaktisch aufgebaute Bücher („Apprentice“ und „Whole Grain Breads“) tatsächlich das Brotbacken erst gelernt. Natürlich hab ich seine Rezepte dann später nach meinem Geschmack abgewandelt, und sein Buch „Bread Revolution“ ist mir zu sehr eine Wiederholung alter Rezepte seiner früheren Bücher, nur mit gesprossenen Getreiden, das ist mir auch zu langweilig.
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