HERZHAFTE BAUERNBRÖTCHEN MIT ALTEM TEIG

„Alter Teig“ bedeutet in der Bäckersprache ein Stück Brotteig, das abgeschnitten und zwecks späterer Verwendung im Kühlschrank aufbewahrt wird. Bei meinem allerersten Sauerteigbrot, nach einem französischen Rezept, fungierte eine Tasse „alter Teig“ als Starter, und bei jedem Brot musste ein Stück Teig für das nächste Pain au Levain aufgehoben werden.

Während ich mich so langsam von einer Serie waffentauglicher, im wahrsten Sinne des Wortes „bissfester“ Ziegelsteine zu essbareren Laiben vorarbeitete, funktionierte diese „aus Alt mach Neu“-Methode gut, und ich brachte schliesslich ein wirklich leckeres, deutsches Feinbrot zustande.

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Mein deutsches Feinbrot – ursprünglich mit altem Teig hergestellt

Irgendwann wollte ich aber meinen Horizont erweitern, und auch andere Brotsorten backen. Der alte Teig wurde durch einen „richtigen“ Sauerteig ersetzt, und geriet allmählich als brauchbarer Starter in Vergessenheit.

Als ich Gerd Kellners (Ketex) Rezept für Bauernbrötchen sah, erinnerte ich mich an meine frühen Erfahrungen. Er mischte nämlich auch alten Teig in seine rustikalen Brötchen.

Mit der Absicht, die Brötchen zu backen, schnitt ich ein Stück vom einem Brotteig ab, und bewahrte es im Kühlschrank im Keller auf – um die ganze Angelegenheit dann prompt zu vergessen!

Drei Monate später, als ich nach etwas in den Tiefen des Kühlschranks suchte, stiess ich auf den kleinen Behälter, und erinnerte mich wieder an mein Vorhaben.

Nach all der Zeit nichts Gutes erwartend, öffnete ich zögerlich den Deckel: der alte Teig sah tatsächlich ein bisschen „altertümlich“ aus. Ausserdem roch er auch nicht besonders angenehm. Aber immerhin war kein Schimmel daran!

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Hagebutten-Levain, eins meiner Experimente mit vergorener Marmelade!

Immer neugierig, und offen für Experimente, bevor ich etwas in den Müll werfe, wollte ich herausfinden, ob noch Leben in dem Fundstück war, und beschloss, einen Backversuch mit den Bauernbrötchen zu wagen.

Ich war ziemlich argwöhnisch, was den Geschmack anging – schliesslich war Gerds „alter Teig“ (alias Pâté fermentée) nur maximal 10 Tage alt, aber mein Arwohn war unbegründet. Die Brötchen gingen schön auf und schmeckten überraschend gut.

Und ich hatte ein neues, interessantes Rezept, mit dem ich arbeiten konnte.

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Meine ersten Bauernbrötchen

Bei meinem ersten Backversuch hatte ich Gerhards Rezept haargenau befolgt, mit einem Poolish als Vorteig, und den aufbewahrten Teig erst später beim Mischen des Hauptteigs hinzugefügt.

Beim zweiten Mal liess ich meinen alten Teig nur drei Tage im Kühlschrank schlummern. Und warum nicht einfach, wie bei meinem französischen Levain, den alten Teig mit Mehl und Wasser auffrischen und anstatt eines Poolish verwenden? Er würde ja sowieso langsam über Nacht im Kühlschrank reifen.

Für den geringen Roggenanteil nahm ich Vollkornmehl, und Olivenöl anstatt Butter.

Von langem Kneten halte ich nichts, Peter Reinhart’s Methode ist mir sympathischer – knappes Mischen, dann kurze Teigruhe/Autolyse, gefolgt von einer Serie Strecken und Falten.

Die zweite Ladung Brötchen (ohne den Poolish), gelang ganz genauso gut, und schmeckte durch den Vollkornroggen noch etwas herzhafter. Ich musste Backtemperaturen und -zeit ein bisschen verändern – jeder Ofen ist verschieden.

Bald fing ich an, die leckeren Bauernbrötchen auch für meine Kunden zu backen. Über die Jahre zog sich die Teig-Aufbewahrungszeit mehr und mehr in die Länge, von drei Monaten auf vier, fünf, und, für mein letztes Backen, sogar sieben!

Obwohl die Oberfläche bei wirklich altem Teig ein bisschen dunkler aussieht, und er etwas alkoholisch riecht, besteht kein nennenswerter Unterschied in Triebkraft oder im Geschmack. Ich hebe ihn im Kühlschrank auf, bis ich Lust habe, damit zu backen, ob nach einer Woche – oder einem halben Jahr.

Meine Kunden lieben die herzhaften, rustikalen Brötchen, und wir ebenso. Ich backe immer eine Ladung extra für uns.  Man kann sie auch gut einfrieren, daher lohnt es sich, die doppelte Menge zu backen.

Und nicht vergessen: immer ein Stück alten Teig fürs nächste Mal aufheben!

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Herzhalte, knusprige Bauernbrötchen

BAUERNBRÖTCHEN MIT ALTEM TEIG  (nach Gerhard Kellner)

(8 Stück)

Alter Teig
100 g alter Teig (Kühlschrank)
5 g Vollkornroggenmehl
42 g lauwarmes Wasser

Hauptteig
147 g aufgefrischter alter Teig
400 g Weizenmehl Typ 550
45 g Vollkornroggenmehl
248 g Wasser (lauwarm)
8 g Olivenöl
10 g Salz
1.8 g Trockenhefe (oder 5 g Frischhefe)
7.5 g/1 1/2 TL flüssiges Backmalz
Roggenmehl zum Bestäuben

Rezept mit amerikanischen Zutaten

1. TAG

Morgens: alten Teig mit Wasser und Roggenmehl verrühren. Zugedeckt bei Zimmertemperatur stehen lassen, bis er ein bisschen aufgepufft aussieht, und sich Blasen an der Oberfläche zeigen (wie bei einem Poolish).

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Aufgefrischter alter Teig mit Bläschen an der Oberfläche

Abends: aktivierten alten Teig und Hefe erst im Wasser auflösen (Schneebesen), dann mit allen anderen Teigzutaten auf niedriger Stufe (oder mit dänischem Teigrührer oder Hand) vermischen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist (1 – 2 Minuten).

Teig 5 Minuten ruhen lassen, dann auf mittel-niedriger Stufe (oder mit dänischem Teigrührer oder Hand) 2 Minuten lang kneten. Falls nötig, ein bisschen mehr Wasser oder Mehl dazugeben (Teig soll leicht klebrig sein). Weitere 4 Minuten kneten (Teig soll immer noch ein bisschen klebrig sein).

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Teig auf eine leicht eingeölte Arbeitsfläche geben

Teig auf eine leicht eingeölte Arbeitsfäche geben. Mit eingefetteten oder feuchten Händen zu einem groben Rechteck ziehen. Von oben und unten wie einen Geschäftsbrief in 3 Teile falten, dann das gleiche von beiden Seiten wiederholen. Zu einem Ball zusammenfassen, mit umgestülpter Mixerschüssel zudecken und 10 Minuten ruhen lassen.

Strecken und Falten 3 x wiederholen, in 10-minütigen Abständen (insgesamt 40 Minuten). Nach dem letzten Falten 100 g Teig abnehmen und (für den nächsten „alten Teig“) in einem verschliessbaren Behälter im Kühlschrank aufbewahren (Ketex empfiehlt, ihn innerhalb von 10 Tagen zu verwenden, aber er hält sich mehrere Wochen bis Monate.)

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Etwas alten Teig für die nächsten Bauernbrötchen aufbewahren

Restlichen Teig in einem eingeölten Container geben, einmal herumwälzen, und zugedeckt über Nacht in den Kühlschrank stellen.

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Viereckige Plastikbehälter lassen sich gut stapeln und nehmen weniger Platz im Kühlschrank weg

 2. TAG

Teig 2 Stunden vor Gebrauch zum Anwärmen aus dem Kühlschrank nehmen (wenn ihr ihn kalt verarbeitet, dauert das Reifen bei diesen Brötchen erheblich länger).

Auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche geben (Teig wird immer noch etwas klebrig sein). In 8 gleiche Stücke (ca. 90-100 g) teilen und jeweils rundschleifen. Zugedeckt 20 Minuten lang ruhen lassen, dann mit beiden Händen zu länglichen Brötchen mit spitzen Enden rollen.

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Teigstücke erst durch Rundschleifen vorformen

Teiglinge mit der Naht nach oben auf ein Bäckerleinen (Couche) legen. Mit Roggenmehl bestäuben. Zugedeckt ca. 60 Minuten gehen lassen, bis eine sanft eingedrückte Delle sich zwar noch elastisch anfühlt, aber sichtbar bleibt (Fingerdrucktest).

Inzwischen den Ofen auf 250ºC (mit Dampfgefäss) vorheizen.

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Bauernbrötchen reifen im Bäckerleinen

Teiglinge mit der Naht nach unten auf ein perforiertes, oder mit Backpapier belegtes Blech legen. Wieder mit Roggenmehl bestäuben, und der Länge nach einschneiden.

Brötchen in den Ofen stellen, eine Tasse kochendes Wasser ins Dampfgefäss giessen, die Temperatur auf 230ºC herunterschalten und ca. 20 – 28 Minuten lang backen. (Backblech nach der halben Backzeit um 180 Grad drehen, und Dampfgefäss entfernen). Sie sollen schön goldbraun aussehen (Innentemperatur mindestens  93ºC).

Bauernbrötchen halten sich 1-2 Tage in einer Papiertüte. Für längere Aufbewahrung (sobald sie abgekühlt sind), in einen Gefrierbeutel legen und einfrieren. (Bei Zimmertemperatur auftauen lassen, mit Wasser besprühen und bei 190ºC im Ofen aufbacken – dann sind sie wie neu!).

Frischgebackene Bauernbrötchen (hier mit 7 Monate altem Teig!)

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8 Kommentare zu „HERZHAFTE BAUERNBRÖTCHEN MIT ALTEM TEIG

  1. Hallo Karin,

    eine schöne Geschichte, du und dein alter Teig. Hätte nicht gedacht, dass man Teig so lange aufheben bzw. noch verwerten kann. Die Brötchen sehen großartig aus….und dann noch einem Grundrezept von meinem Lieblingsbäcker Gerd….

    Lieben Gruß
    Dagmar

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  2. Hallo Karin,
    Toll deine Brötchen. Ich würde sie gerne nachbacken habe aber keinen alten Teig .Hast du einen Tip für mich was ich nehmen könnte.
    Schönen Sonntag
    Christine

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    1. Hallo, Christine, du kannst anstatt der 100 g alten Teigs die gleiche Menge Pâté fermentée nehmen: 58 g Weizenmehl 550 + 40 g Wasser + 0.5 g Salz + 0.8 g Trockenhefe (oder 1.3 g Frischhefe). Alles zu einem glatten Teig kneten, 2 Stunden bei Zimmertemperatur anspringen lassen, dann 12 Stunden in den Kühlschrank. Wenn du genug Zeit hast, lass ihn mehrere Tage drin, dann wird der Geschmack kräftiger. Dann hast du einen guten Ersatz.
      LG, Karin

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  3. Hallo liebe Karin, ganz toller Blog. Gratulation.
    Ich habe einen alten Teig, der ca. über 3 Wochen alt ist. Wie aktiviere ich ihn?

    Danke für deine Rückantwort.
    Schönen Gruß

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    1. Danke für dein nettes Kompliment.
      Den alten Teig aufzufrischen ist ganz einfach. Auf 200 g alten Teig nimmst du 10 g Mehl (Roggen, Weizen oder Dinkel) und 84 g lauwarmes Wasser und mischt alles gut. Den Ansatz lässt du bei Zimmertemperatur stehen, bis er sichtbar aktiv wird, d.h. kleine Blasen an der Oberfläche zeigt.
      Das wird mehrere Stunden dauern, daher mixe ich ihn für meine Rezepte mit Übernachtgare morgens, dann kann ich ihn abends verwenden, wie in meinem Brötchenrezept.
      LG und gutes Gelingen,
      Karin

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